Antibiotikaresistenzen sind eine der größten Herausforderungen der modernen Medizin. In diesem Blogartikel fassen wir aktuellste Informationen des RKI für Sie zusammen.
Jährlich führen resistente Erreger zu etwa 1,27 Millionen Todesfällen, und Prognosen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gehen davon aus, dass bis 2050 bis zu 10 Millionen Menschenleben durch Antibiotikaresistenzen bedroht sein könnten, wenn keine wirksamen Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Um diese bedrohliche Entwicklung zu stoppen, werden weltweit Strategien entwickelt, die auf einem multisektoralen Ansatz basieren. Dabei stehen der Zugang zu wirksamen Antibiotika, die Erhaltung der Wirksamkeit bestehender Medikamente sowie die Förderung von Innovationen im Vordergrund.
In Deutschland wurde mit der Deutschen Antibiotika-Resistenzstrategie (DART 2030) ein umfassender Maßnahmenkatalog erstellt, der die Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen aus verschiedenen Perspektiven angeht. Im Rahmen dieser Strategie wird ein One-Health-Ansatz verfolgt, der die Gesundheit von Menschen, Tieren und der Umwelt in den Fokus rückt. DART 2030 zielt darauf ab, die Behandlungsfähigkeit von Infektionskrankheiten langfristig zu sichern, indem der Einsatz von Antibiotika optimiert und ihre Wirksamkeit erhalten wird.
Ein zentraler Aspekt von DART 2030 ist die Förderung der Entwicklung neuer Antibiotika, insbesondere solcher, die gegen multiresistente Erreger (MRE) wirksam sind. Diese Erreger stellen eine besondere Bedrohung dar, da sie gegen viele der aktuell verfügbaren Antibiotika resistent sind und dadurch die Behandlung von Infektionen erschweren.
Die Entwicklung neuer Antibiotika steht vor zahlreichen Herausforderungen. Ein Großteil der Antibiotika, die sich derzeit in der klinischen Entwicklung befinden, sind Modifikationen bereits bekannter Wirkstoffe. Diese bieten zwar einige Verbesserungen, aber keine grundlegend neuen Behandlungsmöglichkeiten. Laut einem Bericht des Pew Charitable Trusts sind etwa 75 % der in der Entwicklung befindlichen Antibiotika Derivate bestehender Klassen, was ihre Fähigkeit, gegen neu auftretende resistente Bakterien zu wirken, einschränkt.
Ein wesentlicher Grund für die zurückhaltende Entwicklung neuer Antibiotika sind die begrenzten Gewinnperspektiven für pharmazeutische Unternehmen. Aufgrund ihres gezielten Einsatzes werden neue Antibiotika nur sparsam verwendet, was zu kurzen Behandlungszeiträumen und geringen Verkaufszahlen führt. Dadurch entsprechen sie nicht den üblichen Verkaufsinteressen und Gewinnmargen der Unternehmen. Um dennoch Fortschritte in diesem Bereich zu erzielen, sind innovative Ansätze zur Finanzierung und Unterstützung der Antibiotikaforschung erforderlich.
Auf globaler Ebene spielt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine zentrale Rolle im Kampf gegen Antibiotikaresistenzen. Im Jahr 2017 veröffentlichte die WHO erstmals eine Liste prioritärer antibiotikaresistenter Erreger, die sogenannten „Priority Pathogen List“ (PPL). Diese Liste umfasst 12 Bakterienfamilien mit unterschiedlichen Resistenzprofilen, die laut internationalen Experten die größte Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen. Die WHO hat diese Liste kürzlich aktualisiert, um die Forschung und Entwicklung neuer Antibiotika gezielt zu fördern und Investitionen in besonders benötigten Bereichen zu priorisieren.
Die WHO PPL dient nicht nur als Orientierung für den öffentlichen und privaten Sektor, sondern auch als Grundlage für die weltweite Koordination von Forschungs- und Entwicklungsstrategien. Sie hilft dabei, Investitionsschwerpunkte zu setzen und sicherzustellen, dass die dringendsten Bedürfnisse bei der Bekämpfung antibiotikaresistenter Erreger adressiert werden.
In Deutschland wurde mit der Änderung des § 35a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) ein wichtiger Schritt zur Förderung der Markteinführung neuer Antibiotika unternommen. Diese Änderung ermöglicht es dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), neue Antibiotika als „Reserveantibiotika“ einzustufen. Diese Reserveantibiotika werden speziell für den Einsatz gegen multiresistente Erreger reserviert und sind von der üblichen Nutzenbewertung befreit, die normalerweise für neue Medikamente erforderlich ist. Dadurch wird die Markteinführung dieser Antibiotika erleichtert und pharmazeutischen Unternehmen wird ein Anreiz geboten, in die Entwicklung neuer Wirkstoffe zu investieren.
Das Robert Koch-Institut (RKI) und das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) spielen bei der Einstufung von Reserveantibiotika eine entscheidende Rolle. Sie entwickeln die Kriterien für die Einstufung und erstellen eine Liste relevanter multiresistenter bakterieller Krankheitserreger, die regelmäßig aktualisiert wird. Diese Liste bildet die Grundlage für die Entscheidung des G-BA, welche Antibiotika als Reserveantibiotika eingestuft werden können.
Die Einstufung eines Antibiotikums als Reserveantibiotikum bringt auch Verpflichtungen mit sich. Der G-BA legt Vorgaben für eine qualitätsgesicherte Anwendung dieser Medikamente fest, um ihren adäquaten Einsatz in Behandlungseinrichtungen sicherzustellen. Dies umfasst unter anderem den indikationsgerechten Einsatz nach Erregernachweis, die Verschreibung von Reserveantibiotika nur nach Rücksprache mit qualifiziertem ärztlichem Personal sowie die Einhaltung lokaler Freigaberegelungen.
Ein essenzieller Bestandteil dieser Maßnahmen ist das Antibiotic Stewardship (ABS), ein Konzept, das darauf abzielt, den Einsatz von Antibiotika zu optimieren und die Entstehung von Resistenzen zu minimieren. Im Rahmen von ABS-Programmen wird der Einsatz von Reserveantibiotika systematisch überwacht, um sicherzustellen, dass sie nur dann verwendet werden, wenn es unbedingt notwendig ist.
Die kontinuierliche Überwachung der Antibiotikaresistenzen und des Antibiotikaverbrauchs ist ein weiterer zentraler Bestandteil der deutschen Strategie zur Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen. Kliniken, die Reserveantibiotika einsetzen, sind verpflichtet, an den Surveillancesystemen des RKI teilzunehmen. Diese Systeme, wie das Antibiotika-Resistenz-Surveillance (ARS) und das Antibiotika-Verbrauchs-Surveillance (AVS), bieten wichtige Daten zur Beurteilung des quantitativen Einsatzes und der Resistenzsituation im zeitlichen Verlauf.
Antibiotikaresistenzen stellen eine wachsende Bedrohung für die globale Gesundheit dar. Um dieser Herausforderung zu begegnen, sind sowohl nationale als auch internationale Anstrengungen erforderlich. In Deutschland spielt die Förderung neuer Reserveantibiotika eine zentrale Rolle in der Strategie zur Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen. Durch gezielte Maßnahmen zur Förderung der Forschung und Entwicklung, unterstützt durch innovative Finanzierungskonzepte und gesetzliche Regelungen, sollen neue Antibiotika entwickelt und ihre Wirksamkeit langfristig gesichert werden. Die systematische Überwachung des Antibiotikaeinsatzes und der Resistenzentwicklung bleibt dabei ein essenzieller Bestandteil, um den Erfolg dieser Maßnahmen zu gewährleisten und die öffentliche Gesundheit zu schützen.
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